Die verwalterlose Wohnungseigentümergemeinschaft

Die verwalterlose Wohnungseigentümergemeinschaft

27. November 2011 | Bau- u. Immobilienrecht, Wohnungseigentumsrecht | von Prof. Dr. Ralf Stark

Nicht selten kommt es vor, dass ein Verwalter sein Amt nieder legt, sodass die Wohnungseigentümergemeinschaft „verwaltungslos“ ist. In diesem Fall stellt sich die Frage, wer zur Einberufung einer Eigentümerversammlung berechtigt oder sogar verpflichtet ist und welche Rechtsfolgen bei einem pflichtwidrigen Unterlassen der Einberufung bestehen. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über dieses praxisrelevante Thema.

Die Einberufung der Eigentümerversammlung hat grundsätzlich durch den Verwalter zu erfolgen. Der Verwalter kann selbstverständlich auch einen seiner Angestellten bevollmächtigten Fehlt jedoch ein Verwalter oder weigert er sich pflichtwidrig die Versammlung der Wohnungseigentümer einzuberufen, so „kann“ die Versammlung, falls ein Verwaltungsbeirat bestellt ist, von dessen Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter einberufen werden (vgl. § 24 Abs. 3 WEG). Existiert zwar ein Verwaltungsbeirat, nicht aber ein Vorsitzender oder Stellvertreter, so können alle Beiratsmitglieder gemeinsam eine Wohnungseigentümerversammlung einberufen.

Aufgrund des Wortes „kann“ in § 24 Abs. 3 WEG, wird teilweise die Ansicht vertreten, dass der Beiratsvorsitzende oder sein Stellvertreter zwar das Recht, nicht aber die Pflicht hat, eine Eigentümerversammlung einzuberufen, falls ein Verwalter fehlt. Dies wird jedoch von der neueren Rechtsprechung ganz überwiegend nicht mehr gebilligt:

Wird ein Verwaltungsorgan im Interesse derer, die es wählen und die es repräsentiert, mit gesetzlichen und vertraglichen Befugnissen ausgestattet, so verpflichtet dies das Verwaltungsorgan (hier den Verwaltungsbeirat) im Regelfall auch zu deren Wahrnehmung. Aus der Ehrenamtlichkeit und Unentgeltlichkeit der Beiratstätigkeit folgt zwar grundsätzlich eine sogenannte Einschätzungsprärogative (weil die Übernahme eines persönlichen Risikos in bestimmten Zweifelsfällen nicht zugemutet werden kann). Dies ist jedoch dann anders, wenn ein Verwalter fehlt und Schäden für die Eigentümergemeinschaft drohen. In diesem Fall reduziert sich das Ermessen „auf Null“ und es besteht ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch der Eigentümer gegen den Beiratsvorsitzenden und seinem Vertreter auf Einberufung einer Eigentümerversammlung, damit ein neuer Verwalter be-stellt werden kann. Daneben kommt gegenüber dem Beiratsvorsitzenden und seinem Stellvertreter auch ein Schadensersatzanspruch in Betracht, wenn er sich pflichtwidrig weigert, die Eigentümerversammlung einzuberufen.

Existiert weder ein Verwalter, noch ein Verwaltungsbeirat, so hat jeder Wohnungseigentümer gemäß § 21 Abs. 4 WEG einen Individualanspruch auf Einberufung einer außerordentlichen Eigentümerversammlung zur Bestellung eines Verwalters. In diesem Fall kann jeder Wohnungseigentümer bei Gericht beantragen, ihn (analog § 37 Abs. 2 BGB) zur Einberufung einer Versammlung zu ermächtigen. Dieses aus § 21 Abs. 4 WEG folgende Antragsrecht auf Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung hat jeder Wohnungseigentümer. Da nach der WEG-Novelle eine Notverwalterbestellung nicht mehr vorgesehen ist, handelt es sich hierbei um ein unabdingbares Recht.

Eine Alternative hierzu stellt die Einberufung einer sogenannten „Vollversammlung“ dar.  Den Vorschriften des WEG, wonach eine Versammlung nur stattfinden darf und Beschlüsse nur dann gefasst werden dürfen, wenn die Versammlung ordnungsgemäß durch einen hierzu Befugten einberufen worden ist und die Tagesordnungspunkte dem Gesetz entsprechend angekündigt wurden, gelten nicht, wenn bei der Wohnungseigentümerversammlung sämtliche Wohnungseigentümer anwesend oder/und vertreten sind (sogenannte Vollversammlung oder auch Universalversammlung genannt). Demnach können sämtliche Wohnungseigentümer spontan zu einer Wohnungseigentümerversammlung zusammentreten und auch wirksame Beschlüsse fassen. Dies gilt sogar auch dann, wenn ein Verwalter existiert. In diesem Fall muss ein Verwalter noch nicht einmal informiert werden.

Sind alle Wohnungseigentümer anwesend oder vertreten, können auch Beschlüsse gefasst werden, die in der Tagesordnung nicht angekündigt worden sind. Bei derartigen Universalbeschlüssen ist jedoch zu beachten, dass sich alle Wohnungseigentümer an der Abstimmung beteiligen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie für oder gegen den Beschluss gestimmt oder sich der Stimme enthalten haben. Ein Universalbeschluss ist sodann im Hinblick auf die fehlende Ladung und Ankündigung nicht (mehr) anfechtbar. Ein Universalbeschluss kann indes dann nicht ergehen, wenn auch nur ein Wohnungseigentümer rügt, dass die Versammlung nicht ordnungsgemäß einberufen, oder/und der Tagesordnungspunkt nicht in gesetzmäßiger Form angekündigt wurde.
Praxishinweis:
Existiert kein Verwalter, sollte der Beiratsvorsitzende respektive sein Stellvertreter im Interesse der Wohnungseigentümergemeinschaft, nicht zuletzt aber auch im Eigeninteresse (Vermeidung von Schadensersatzansprüchen der übrigen Wohnungseigentümer) unverzüglich zu einer Eigentümerversammlung einberufen, damit hier ein neuer Verwalter bestellt werden kann. Kommt der Beiratsvorsitzende oder sein Stellvertreter dieser Verpflichtung nicht nach, sollte der agierende Eigentümer nach erfolg-ter Fristsetzung gegenüber dem Beiratsvorsitzenden respektive seinem Stellvertreter diesen gerichtlich verpflichten lassen, eine Wohnungseigentümerversammlung einzuberufen. Nur dann, wenn kein Beirat vorhanden ist, kommt als letzte Alternative in Betracht, sich selbst von dem Gericht ermächtigen zu lassen, eine Eigentümerversammlung einzuberufen.

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