Kündigungsverzicht im Wohnungsraummietrecht

Kündigungsverzicht im Wohnungsraummietrecht

30. November 2014 | Bau- u. Immobilienrecht | von Prof. Dr. Ralf Stark

Eigentlich gilt für alle Mieter eine Kündigungsfrist von drei Monaten. Vermieter indes müssen für eine ordentliche Kündigung je nach Dauer des Mietverhältnisses eine Frist von drei, sechs oder neun Monaten beachten (vgl. § 573c BGB). Um die Mieter länger zu binden, greifen manche Vermieter zu einem „juristischen Trick“: Sie vereinbaren mit dem Mieter, dass er zum Beispiel in den ersten zwei Jahren des Mietverhältnisses auf sein Kündigungsrecht verzichtet. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Kündigungsverzicht statthaft ist, zeigt der nachfolgende Beitrag auf.

Bei einem Kündigungsverzicht verpflichtet sich der Mieter inhaltlich für einen bestimmten Zeitraum auf sein Recht zur ordentliche Kündigung des Mietvertrages zu verzichten, während der Vermieter auf sein Recht auf ordentliche Kündigung nach § 573 BGB zum Bespiel aufgrund Eigenbedarfs verzichtet. Hierbei ist grundsätzlich zu unterscheiden, ob es sich um einen formularmäßig oder einen individuell vereinbarten Kündigungsverzicht handelt.

1.) Der formularmäßig vereinbarte Kündigungsverzicht

Der einseitig, formularmäßig vereinbarte Kündigungsverzicht ist grundsätzlich auch zu Lasten des Mieters zulässig (vgl. zu den allgemeinen Risiken von AGBVereinbarungen: „AGB´s – Der erklärte Feind des Vermieters“, BEIRATAKTUELL, Ausgabe 25, IVI-12 , S. 4 ff). Damit dieser Verzicht keine unverhältnismäßige Benachteiligung des Mieters gemäß § 307 BGB darstellt, muss dem Mieter die einseitige Störung des Vertrags ausgeglichen werden. Dies erfolgt durch Zugeständnisse zugunsten des Mieters. So kann bspw. eine Staffelmiete nach § 557a BGB, eine generelle Untermietererlaubnis, eine Erlaubnis zur Haltung von Haustieren oder die Zustimmung zu baulichen Veränderungen vereinbart werden, um eine Unwirksamkeit des Kündigungsverzichts zu vermeiden.

Sowohl bei einem einseitigen, als auch bei einem beidseitigen, formularmäßig, vereinbarten Kündigungsverzicht ist dieser nur bis maximal vier Jahren zulässig.

Längere Vereinbarungen sind wegen ihrer unangemessenen Benachteiligung des Mieters unwirksam. Es erfolgt insoweit auch keine Reduzierung des Kündigungsverzichts auf die rechtlich wirksame Zeit von vier Jahren. Diese sogenannte teleologische Reduktion ist unzulässig. Aus einem unzulässigen Kündigungsverzicht folgt, dass der Mietvertrag weiter besteht und ein Kündigungsverzicht niemals rechtlich wirksam vereinbart wurde.

Dabei folgt die zeitliche Beschränkung auf vier Jahre dem gesetzlichen Leitbild der Staffelmiete gemäß § 557a Abs. 3 BGB. Danach ist ein maximaler Kündigungsverzicht des Mieters von vier Jahren gesetzlich vorgesehen und zulässig.

Der Berechnungszeitraum des Kündigungsverzichts beginnt nicht erst mit der Wohnungsüberlassung, sondern schon mit dem Tag, an dem der Mietvertrag abgeschlossen beziehungsweise der Kündigungsverzicht vereinbart wurde.

Ein vereinbarter Kündigungsverzicht kann nur mit der Folge durchbrochen werden, dass eine Kündigung wieder möglich ist, wenn der Mieter durch die Vereinbarung unangemessen benachteiligt ist – im Sinne des § 307 BGB.

Eine solche unangemessene Benachteiligung ist anzunehmen, wenn dem Mieter ein schutzwürdiges Bedürfnis nach einem besonderen Maß an Mobilität und Flexibilität zugebilligt werden muss. Das soll immer bei Studenten der Fall sein, denn der Student muss als Mieter auf Unwägbarkeiten des Studienverlaufs und ausbildungsbedingte Erfordernisse, die einen Ortswechsel bedingen, angemessen reagieren können. Dies führt dazu, dass ein Kündigungsverzicht mit einem Studenten formularmäßig nicht vereinbart werden kann.

Das Bedürfnis nach beruflicher Flexibilität ist in der Regel kein generelles, besonderes Phänomen eines Mieters. Allerdings ist denkbar, dass es besondere Bevölkerungsgruppen gibt, bei denen die gleichen Erwägungen wie bei Studenten gelten können, so zum Beispiel bei Berufssportlern. Das Gleiche gilt auch für ältere Menschen, die aus dem Berufsleben ausgeschieden sind und im Hinblick auf Krankheiten und Pflegebedürftigkeit flexibel und mobil sein müssen. Auch die Situation in einem Zweifamilienhaus oder bei einem möblierten Zimmer innerhalb der Wohnung des Vermieters kann sich wegen ihrer besonderen Konfliktlage von vornherein jede formularmäßige Regulierung des Kündigungsausschlusses verbieten.

Daneben muss der Kündigungsverzicht inhaltlich das Transparenzgebot des § 307 BGB beachten. Das bedeutet, dass die Formulierungen klar und verständlich sein müssen.

Ein außerordentliches Kündigungsrecht steht sowohl dem Vermieter als auch dem Mieter unbenommen zu. Ein Ausschluss würde zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Interessen des Mieters führen.

2.) Der Kündigungsverzicht als Individualvereinbarung

Bei Individualvereinbarungen ist ein Kündigungsverzicht bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit möglich (vgl. zu den Voraussetzungen einer wirksamen Individualvereinbarung: „AGB´s – Der erklärte Feind des Vermieters“, BEIRATAKTUELL, Ausgabe 25, IVI-12 , S. 4 ff).. Eine Individualvereinbarung in Verbindung mit einer Staffelmiete ist demgegenüber ebenfalls nur auf maximal vier Jahre beschränkbar.

Für einen individuell ausgehandelten Kündigungsverzicht spricht die widerlegbare Vermutung, wenn in der Lücke eines ansonsten vorformulierten Vertrages handschriftlich die Jahreszahl eingetragen worden ist. Die Vermutung wird schon erschüttert, wenn der Mieter darlegt und ggf. beweist, dass ihm der Vertrag bereits ausgefüllt vorgelegt wurde.

Ein individueller Kündigungsverzicht kommt schon zustande, wenn zu Beginn der Verhandlungen beide Parteien unterschiedliche Vorstellungen über die Zeitdauer der Mindestlaufzeit äußern und sich im nach hinein auf einen Zeitraum geeinigt wird.

In Verbindung mit einer Staffelmiete gilt § 557a Abs. 3 BGB, ein Verzicht ist nur auf 4 Jahre beschränkbar. Wird ein über vier Jahren dauernder Kündigungsverzicht geregelt, bewirkt der Verstoß gegen § 557 Abs. 3 BGB die Unwirksamkeit des Verzichts für die Zeit nach Ablauf der vier Jahren. Es erfolgt eine teleologische Reduzierung, die bei einer formularmäßigen Vereinbarung unzulässig wäre.

Sollte keine Staffelmiete vereinbart sein, kann individuell eine längere Zeit als in 557a Abs. 3 BGB vorgesehen ausgehandelt werden und sogar bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit ein einseitiger Verzicht zu Lasten des Mieters bestimmt werden. Insoweit bildet § 544 BGB die Grenze für die Länge der Frist (30 Jahre)

3.) Einseitiger Kündigungsverzicht zu Gunsten des Mieters.

Sollte der Vermieter einen einseitigen Kündigungsverzicht zu Gunsten des Mieters erklären und dieser Kündigungsverzicht über die vier Jahre hinaus gehen, so ist ein solch langer Kündigungsverzicht zu Gunsten den Mieters zulässig und der Vermieter nicht schutzwürdig. Der Vermieter ist an den Inhalt des Vertrages gebunden.

Praxishinweis:

Die Vereinbarung eines Kündigungsverzichts ist mittlerweile in den Mietverträgen ein gängiges und probates Mittel, dem ständigen Mieterwechsel und der damit verbundenen Arbeit und Kosten Einhalt zu gebieten. Dabei ist dem Vermieter von einem einseitigen Kündigungsverzicht zu Gunsten des Mieters abzuraten, wenn sich dieser Verzicht auf einen allzu langen Zeitraum bezieht. Aufgrund des überragenden Schutzes des Mieters, wäre der Vermieter an die Vereinbarung gebunden und könnte demnach auf bestimmte Situationen nicht mehr reagieren. Festzuhalten bleibt daher, dass im Falle eines Kündigungsverzichts dieser die Grenze von vier Jahren nicht überschreiten sollte. Ein solcher Ausschluss ist für alle Beteiligte angemessen, vertretbar und im Hinblick auf seine Folgen absehbar.

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