Neue Rechtsprechung zur Kindergeldanrechnung bei sog. privilegierten volljährigen Kindern

Neue Rechtsprechung zur Kindergeldanrechnung bei sog. privilegierten volljährigen Kindern

20. Januar 2007 | Familienrecht | von Rechtsanwältin A. Bauer

In einer aktuellen Entscheidung hat sich der Bundesgerichtshof erneut mit der Frage befasst, ob und in welcher Höhe das gesetzliche Kindergeld auf den Anspruch volljähriger Kinder gegen ihre Eltern auf Zahlung von Unterhalt anzurechnen ist. Zu erörtern war höchstrichterlich insbesondere die Frage, inwieweit die hierfür relevante (allerdings schwer verständliche) Vorschrift aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 1612 b Abs. 5 BGB), welche bei der Berechnung von Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder regelmäßig eine Rolle spielt, auch auf Unterhaltsansprüche volljähriger Kinder anwendbar ist.

Nach neuerer Rechtsprechung ist wie folgt zu rechnen: Das Kindergeld ist auf den Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder grundsätzlich jeweils hälftig auf den Bar- und Betreuungsunterhalt der Eltern anzurechnen. Bei volljährigen Kindern erfolgt die Anrechnung in voller Höhe auf den allein verbleibenden Barunterhalt. Eine andere Anrechnung hat gemäß der entsprechenden Vorschrift dann zu erfolgen, wenn der Barunterhaltspflichtige gemessen an seiner Leistungsfähigkeit nicht in der Lage ist, wenigstens 135 % des sog. Regelbetrages der Regelbetrag-Verordnung zu zahlen. In einem derartigen Fall der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit erfolgt eine Anrechnung des Kindergeldes prozentual gestaffelt gemäß den veröffentlichten Kindergeldanrechnungstabellen. Auf diese Weise wird das Kindergeld im Rahmen der Unterhaltsberechnung zunächst zur Sicherung des Existenzminimums des Kindes eingesetzt, bevor es zu einer Entlastung der Eltern von ihrer Unterhaltspflicht kommen kann.

Bislang war vor diesem Hintergrund streitig, ob besagte Norm auch für die sog. privilegiert volljährigen Kinder anwendbar ist. Um die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu verstehen, ist die Kenntnis erforderlich, dass bei der Gruppe der volljährigen Kinder rechtlich zu unterscheiden ist. Bei der Berechnung von Unterhaltsansprüchen ist zu differenzieren zwischen den sog. privilegiert volljährigen und den übrigen volljährigen Kindern. Es handelt sich bei der erstgenannten Gruppe um volljährige Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, welche noch im Haus eines Elternteils leben und sich noch in der allgemeinen Schulausbildung befinden.

Der Senat hat diese Problematik mit der genannten Entscheidung vom 17.01.2007 nunmehr wieder aufgegriffen. Nach seiner Auffassung soll die Vorschrift des § 1612 b Abs. 5 BGB lediglich auf minderjährige Kinder, also nicht auf die beschriebenen sog. privilegiert volljährigen Kinder – auch nicht entsprechend – anwendbar sein. Für den Unterhalt letztgenannter Kinder haften beide Eltern im Verhältnis ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit. Dies führt allerdings nicht zwangsläufig zu einer Verschlechterung der Rechtsposition des Kindes nach Erreichen der Volljährigkeit. Die erforderliche Sicherung des Existenzminimums auch für diese Kinder ist schon derzeit auf anderem Wege möglich, und zwar durch entsprechende Erhöhung des Unterhaltsbedarfs nach der vierten Altersstufe der ersten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle ohne Berücksichtigung der Regelbetrag-Verordnung.

Praxishinweis:
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfolgte auf Grundlage des derzeit (noch) geltenden Unterhaltsrechts. Wie sich die Lage nach der für den 01.07.2007 erwarteten Unterhaltsreform darstellen wird, bleibt abzuwarten. Zu denken wäre an eine Anhebung (auch) der vierten Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle unter Berücksichtigung des geplanten sog. Mindestunterhaltes minderjähriger Kinder der ersten drei Altersstufen.

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