Die Berliner Räumung
Viele Vermieter haben den Alptraum bereits erlebt: Nach einem jahrlangen Miet- und Räumungsrechtsstreit beugt sich der Mieter nicht dem Räumungsurteil und muss mit Hilfe des Gerichtsvollziehers zwangsweise geräumt werden. Bevor der Gerichtsvollzieher jedoch tätig wird, fordert er von dem Vermieter einen Vorschuss für Transport- und Lagerungskosten ein, welcher sich selbst bei einer kleinen Wohnung auf viele Tausend Euro belaufen kann und bei dem nicht selten insolventen Mieter nicht zu liquidieren sein wird. In diesem Fällen stellt die sog. „Berliner Räumung“ eine wirksame Alternative dar. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über die Besonderheiten der Berliner Räumung und die aktuell diskutierte Frage der Prüfungskompetenzen des Gerichtsvollziehers.
Bei der klassischen Zwangsräumung wird der Gerichtsvollzieher von dem Vermieter beauftragt, die gesamte Wohnung des Schuldners zu räumen. Hierdurch entstehen regelmäßig erhebliche Transport- und Lagerungskosten, welche der Vermieter in einem Kostenvorschuss an den Gerichtsvollzieher zu zahlen hat. Die sog. Berliner Räumung ist demgegenüber für den Vermieter einfacher, vor allem aber kostengünstiger, weil bei diesem Verfahren die Sachen des Schuldners (vorerst) in den Räumlichkeiten verbleiben. In concreto macht der Vermieter bei der sog. Berliner Räumung an sämtlichen in der Wohnung befindlichen Sachen sein Vermieterpfandrecht (§ 562 BGB) geltend. Den Räumungsauftrag an den Gerichtsvollzieher beschränkt er in diesem Fall auf die bloße Herausgabe der Wohnung. Der Gerichtsvollzieher wird bei der Berliner Räumung nur insoweit tätig, als er den Schuldner aus der Wohnung setzt und dem Vermieter den Besitz an der Wohnung einräumt. Nach der Inbesitznahme verwahrt der Vermieter als Pfandgläubiger alle übernommenen Sachen für den Schuldner. Auf ein Verlangen des Schuldners hat er diejenigen Gegenstände herauszugeben, die nicht von dem Vermieterpfandrecht erfasst sind. Bei Meinungsverschiedenheiten hierüber obliegt es dem Mieter seinen Herausgabeanspruch klageweise geltend zu machen und gegebenenfalls im Wege vorläufigen Rechtsschutzes eine einstweilige Regelung der Besitzverhältnisse zu erstreiten. Stellt sich in diesem Zusammenhang heraus, dass der Vermieter Gegenstände zu Unrecht zurückgehalten hat, hat er dem Mieter den daraus resultierenden Schaden zu ersetzen.
Eigenständige Räumung und Verwertung durch den Vermieter
Die Berliner Räumung eröffnet dem Vermieter die Möglichkeit, die Räumung des Objektes selber vorzunehmen. Hierbei ist er jedoch an die Verwertungsvorschriften für Pfandgläubiger gebunden. So kann der Vermieter erst nach dem Ablauf eines Monats (vgl. § 1234 Abs. 2 Satz 1 BGB) und nach erfolgter Androhung gegenüber dem Schuldner mit der Veräußerung der Sachen – durch Anberaumung eines Versteigerungstermins oder durch freihändigen Verkauf – beginnen. Dementsprechend wird die Berliner Räumung meist nur für solche Vermieter in Betracht kommen, welche die Räume nicht zur dringenden Weitervermietung benötigen oder anderweitig Räume zur Einlagerung der Gegenstände zur Verfügung haben. Weiterhin darf der Vermieter nur solche Sachen verwerten, die dem Schuldner überhaupt gehören und darüber hinaus dem Vermieterpfandrecht unterfallen. Das Vermieterpfandrecht erstreckt sich nicht auf die unpfändbaren Sachen wie beispielsweise die dem persönlichen Gebrauch oder dem Haushalt des Schuldners dienenden Sachen, insbesondere Kleidungsstücke, Wäsche, Betten, Haus- und Küchengeräte, soweit sie der Schuldner für seine Berufstätigkeit oder für eine seiner Verschuldung angemessenen bescheidenen Lebensgrundlage benötigt.
Weigerung und Prüfungskompetenz des Gerichtsvollziehers
Nicht selten weigert sich der Gerichtsvollzieher die sog. Berliner Räumung durchzuführen oder / und vertritt die Ansicht, dass er berechtig sei, die „unstreitig“ und „unzweifelhaft“ nicht vom Vermieterpfandrecht erfassten Gegenstände aus der Wohnung entfernen zu dürfen. Hierdurch wird der vorstehend aufgezeigte Vorteil der Berliner Räumung durch den Gerichtsvollzieher zunichte gemacht, da der Vermieter in diesem Fall zur Vorschusszahlung betreffend dieser Gegenstände verpflichtet bleibt. Diese – von einigen Instanzgerichten – vorgenommene Einschränkung würde jedoch voraussetzen, dass dem Gerichtvollzieher eine dahingehende Prüfungskompetenz zukommt, welche in der Wohnung befindlichen Sachen von dem Vermieterpfandrecht umfasst sind und welche nicht. Wie der Bundesgerichtshof jedoch schon im Jahre 2005 klarstellte (Beschluss vom 17.11.2005 – I ZB 45/05 – WuM 2006, 50), hat der Gerichtsvollzieher keine diesbezügliche Prüfungskompetenz. Die Klärung dieser Rechtsfrage obliegt alleine den Gerichten !
Demnach hat der Gerichtsvollzieher den vom Vermieter erteilten beschränkten Auftrag auf Herausgabe der Wohnung schlicht auszuführen und darf mangels Prüfungskompetenz keine – auch keine teilweise – Räumung der Wohnung vornehmen. Die Bedeutung anderweitiger bislang vereinzelt gebliebener Entscheidungen mancher Instanzgerichte ist aus heutiger Sicht als gering einzustufen.
Praxishinweis:
Die Berliner Räumung bringt für den Vermieter gegenüber der klassischen Räumung erhebliche Vorteile, da er nicht zur Verauslagung weitergehender Kosten verpflichtet wird und schnell in den Besitz seiner Räume kommt. Damit der Mieter nach Inbesitznahme der Wohnung durch den Vermieter nicht behaupten kann, aus der Wohnung seien Sachen abhanden gekommen oder beschädigt worden, sollte der Vermieter im Beisein von Zeugen möglichst sofort ein Verzeichnis und eine Fotodokumentation über alle vorhandenen Gegenstände erstellen