„Fullservice“ des Vermieters auch nach wirksamer Kündigung ?

„Fullservice“ des Vermieters auch nach wirksamer Kündigung ?

10. März 2013 | Bau- u. Immobilienrecht | von Prof. Dr. Ralf Stark

Bekanntlich gehört die Erbringung von Versorgungsleistungen, wie Warmwasser, Heizung und Strom, gegenüber dem Mieter im laufenden Mietverhältnis regelmäßig zu den mietvertraglichen Pflichten des Vermieters. Wird das Mietverhältnis wirksam gekündigt und leistet der Mieter keine Zahlungen, stellt sich für den Vermieter (und nachfolgend nicht selten für die Gerichte) die Frage, ob der Vermieter weiter verpflichtet bleibt, den Mieter mit Wasser, Strom und Heizung zu versorgen, obwohl er mit keinerlei Zahlungen des Mieters zu rechnen hat. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über dieses praxisrelevante Thema.

Bejaht man eine fortbestehende Verpflichtung des Vermieters zur Aufrechterhaltung der Versorgung trotz bestehenden Zahlungsverzug des Mieters, bürdet man dem Vermieter das Risiko auf, für den zahlungsunfähigen/-unwilligen Mieter weiter die Versorgungskosten gegenüber den Versorgern vorschießen zu müssen, obwohl der die Betriebskosten beinhaltende Mietzinsanspruch gegen den Mieter womöglich gar nicht mehr werthaltig ist. Verneint man eine solche Verpflichtung, besteht die Gefahr, dass ein Vermieter seinen Räumungsanspruch gar nicht mehr erst zur gerichtlichen Überprüfung in einem Räumungsprozess stellt, sondern den gekündigten Mieter einfach aus der Wohnung „hinausfriert“ bzw. „hinaustrocknet“.

Bei Gewerberaummietverhältnissen ist der Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses grundsätzlich nicht mehr zur weiteren Erbringung von Versorgungsleistungen verpflichtet. Insoweit hat eine Einzelfallabwägung zwischen den Interessen des Vermieters und des (gewerblichen) Mieters zu erfolgen.

Bei dieser Abwägung ist das Interesse des Mieters an der Aufrechterhaltung des Mietgebrauchs gegen das Interesse des Vermieters an der Versorgungseinstellung abzuwägen, das Räumungsinteresse des Vermieters ist hingegen unbeachtlich. Besonders zu berücksichtigen ist dabei, wenn sich der Mieter mit Mietzinsen und Nutzungsentschädigung im Zahlungsverzug befindet und dem Vermieter mangels eines Entgelts für seine Leistungen ein stetig wachsender Schaden droht.

Für Wohnraummietverhältnisse steht eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage (leider) noch aus. Die amtsgerichtliche Rechtsprechung tendiert indes dazu, auch hier eine generelle nachvertragliche Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der Versorgung auszuschließen und lediglich im Einzelfall eine derartige Pflicht anzunehmen. Dies beispielsweise dann, wenn der Mieter seine Mietzahlungen einschließlich etwaiger Nebenkostenvorauszahlungen/Pauschalen weiterhin erbringt. In diesem Fall sei die Versorgungseinstellung durch den Vermieter zum Zwecke einer „sibirischen Räumung“ des gekündigten Mieters rechtswidrig und der Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel der Versorgungwiederherstellung regelmäßig geboten. Dies gilt auch dann, wenn das Mietverhältnis ursprünglich wegen Zahlungsverzugs gekündigt wurde, die Zahlung der Nutzungsentschädigung bzw. Betriebskosten nach Beendigung des Mietverhältnisses aber gewährleistet ist.

Kommt der Mieter seinen Zahlungsverpflichtungen hingegen nicht nach, soll nach der überwiegenden (amts-)gerichtlichen Rechtsprechung der Vermieter auch bei einem Wohnraummietverhältnis nicht zur Aufrechterhaltung der Versorgung nach Beendigung des Mietverhältnisses verpflichtet sein, wenn sich der Mieter mit Miete bzw. Vorauszahlungen auf die Betriebskosten in Verzug befindet.

Besonders hinzuweisen ist jedoch darauf, dass der Vermieter immer nur berechtigt sein kann von ihm selbst erbrachte und abgerechnete Leistungen einzustellen. Leistungen, die Dritte aufgrund von direkt mit dem Mieter geschlossenen Verträgen erbringen, darf der Vermieter nicht eigenmächtig unterbrechen. Hierzu gehört zuvörderst die Stromversorgung der Wohnung, die üblicherweise auf der Grundlage eines vom Mieter direkt mit einem Energieversorger abgeschlossenen Stromlieferungsvertrages erfolgt und deren Kosten nicht im Rahmen der Betriebskostenabrechnung vom Vermieter, sondern direkt vom Versorger gegenüber dem Mieter abgerechnet werden. Ein schützenswertes Interesse des Vermieters an der Unterbrechung der Versorgung ist in einem solchen Fall nicht gegeben, da der Mieter im Falle der Nichtzahlung der Stromkosten ihm gegenüber keine Pflichten verletzt und dem Vermieter regelmäßig auch keine eigenen Kosten gegenüber dem Versorger entstehen. Greift der Vermieter hier unterbrechend ein, stellt dies eine verbotene Eigenmacht durch aktives Tun dar gegen die sich der Mieter im Wege der einstweiligen Verfügung zur Wehr setzen kann.

Praxishinweis:

Da es zu der Frage der Versorgungsverpflichtung des Vermieters, trotz wirksamer Kündigung, noch keine obergerichtliche Rechtsprechung gibt und die amtsgerichtliche Rechtsprechung regional sehr unterschiedlich judiziert, sollte sich der Vermieter vor Einstellung der Versorgungsleistungen zur Vermeidung einer „kostenpflichtigen“ einstweiligen Verfügung über die Rechtsprechung in „seinem Amtsgerichtsbezirk“ genau informieren. Dem Mieter sollte in einem solchen Fall dringend geraten werden, jedenfalls die Zahlung der Nutzungsentschädigung einschließlich etwaiger Betriebskostenanteile sicherzustellen, da dies bei der Abwägung zwingend zu seinen Gunsten zu berücksichtigen ist.

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