Nachtragsansprüche bei Werkunternehmerverträgen nach VOB/B – Die böse Überraschung bei der Nachtragsrechnung
Das Recht der Verträge zur Errichtung von Bauwerken oder den Arbeiten an solchen richtet sich als Werkvertragsrecht grundsätzlich nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Für Bauverträge nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gilt der Grundsatz, dass der Unternehmer die Werkleistung schuldet, die vertraglich vereinbart ist. Einseitige Leistungsänderungen durch den Auftraggeber sind grundsätzlich ohne Zustimmung des Auftragnehmers nicht möglich, das heißt, dass sie einer gesonderten Vereinbarung bzw. Einigung bedürfen. Der Unternehmer, der eine vom Vertrag abweichende oder zusätzliche Bauleistung erbringen soll, kann grundsätzlich eine gesonderte Vergütung verlangen, da ein Vertrag über die (Mehr-) Leistung regelmäßig durch konkludentes Verhalten zustande kommt. Im Zweifel schuldet der Auftraggeber (Besteller) die ortsübliche Vergütung.
Abweichungen beim VOB-Vertrag
Bei den meisten Bauverträgen – zumindest bei umfangreichen Arbeiten an einem Bauwerk – macht der Auftraggeber (im Zweifel durch seinen Architekten oder als Generalunternehmer) die Vergabe und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) zum Vertragsinhalt und modifiziert auf diese Weise die gesetzliche Regelung des BGB. Das Regelwerk der VOB/B enthält wesentliche Abweichungen vom einfachen Werkvertragsrecht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, weswegen der (Nach-) Unternehmer häufig nicht selten ausgeht. Die folgende kurze Abhandlung soll einen Überblick verschaffen und vor bösen Überraschungen schützen.
Im Gegensatz zum Auftraggeber eines Werkvertrages nach dem BGB, hat der Besteller eines Werkvertrages unter den erweiternden Bedingungen der VOB/B ein einseitiges Recht, den Leistungsinhalt, den Leistungsumfang oder die Ausführungsplanung zu ändern. Die VOB/B unterscheidet nach geänderten oder zusätzlichen Leistungen. Die Beurteilung dessen, was als geänderte Leistung (§ 2 Nr. 5 VOB/B) oder als zusätzliche Leistung (§ 2 Nr. 6 VOB/B) gilt, richtet sich zunächst einmal danach, welche Leistung nach dem Vertrag vom Unternehmer geschuldet ist. Ein Nachtragsanspruch setzt also stets eine so genannte Bausoll- / Bauist-Abweichung voraus.
Pauschalpreis oder Einheitspreis
Die Beurteilung des Bausolls fällt noch relativ leicht beim „Einheitspreisvertrag“. Der Auftraggeber hat eine exakte Beschreibung sämtlicher zu erfüllender Einzelleistung mit ungefähren Mengenangaben erstellt, der Unternehmer hat jede Einzelposition kalkuliert und für sich angeboten. Er darf auf die planerische Vorleistung seines Auftraggebers dahingehend vertrauen, dass exakt das beschriebene Leistungsverzeichnis zu den angebotenen Einzelpreisen geschuldet ist. Jegliche Abweichung führt zu einer Änderung des Vergütungsanspruches. Dieses gilt im Übrigen nicht nur zu Lasten sondern auch zugunsten des Auftraggebers, der bei Abweichungen zu seinen Gunsten regelmäßig eine Abrechnung um das vom Unternehmer durch die Minderleistung eingesparte erwarten darf.
Viele Werkverträge erhalten eine Pauschalierung auf der Vergütungsebene. Zwar werden bei einem solchen „Detailpauschalpreisvertrag“ ebenfalls Einzelpreise anhand eines Leistungsverzeichnisses nachgefragt, die Parteien vereinbaren aber letztendlich eine pauschale Vergütung. Wenn dem Unternehmer bei solchen Pauschalpreisverträgen ausreichende Möglichkeiten eingeräumt sind, um (z.B. durch Ausführungspläne und -beschreibungen) die Maßstäbe der Mengenermittlung selbst nachvollziehen zu können, tragen der Auftragnehmer und der Auftraggeber das jeweilige Risiko der Abweichung zu eigenen Lasten.
Der so genannte „Globalpauschalpreisvertrag“ wird auch auf der Leistungsebene pauschaliert. Häufig enthalten Pauschalverträge überwiegende Funktionalbeschreibungen mit einzelnen detaillierten Vorgaben hinsichtlich einzubringender Materialien oder der Einhaltung bestimmter Vorplanungen. Der Vorteil für den Auftraggeber besteht darin, dass er stets erwarten darf, dass das fertig gestellte Werk seiner funktionalen Beschreibung entspricht, ohne dass dieses für ihn mit Mehrkosten verbunden ist. Der Auftragnehmer schuldet regelmäßig auch die Ausführungsplanung, ihm obliegt hiernach auch die Festlegung sämtlicher Einzelheiten, die von der funktionalen Beschreibung nicht erfasst werden. Lediglich dann, wenn der Vertrag einzelne Leistungen detailliert regelt, ist der Unternehmer an diese gebunden. Im Übrigen hat der Unternehmer das Recht, seine Leistungen nach billigem Ermessen zu bringen, soll heißen, dass er, innerhalb der funktionalen Beschreibung und innerhalb der nach der Gesamtschau des Objektes zu erwartenden Standards, die für Ihn kostengünstigste Variante wählen darf.
Die geänderte Leistung nach § 2 Nr. 5 VOB/B
Eine geänderten Leistung im Sinne des § 2 Nr. 5 VOB/B liegt dann vor, wenn der Auftraggeber Ausführungen ändert, die ausweislich des Vertrages zwar geschuldet sind, dieses jedoch in anderer Form. Das kann sowohl die Wahl eines anderen, als das ausgeschriebene bzw. angebotene Material – der Auftraggeber wählt zum Beispiel nachträglich eine lasierte statt einer einfachen Dachpfanne – als auch bestimmte Begleitumstände – z. B. soll die Anlieferung sämtlicher Materialien an die Baustelle über einen Feldweg zum Grundstück erfolgen, der weiche Untergrund und die mangelnde Befestigung der Ränder bedürfen jedoch die Anlieferung der Werkstoffe mittels leichten Baugerätes – betreffen.
Die Bestimmung des Bausolls entscheidet nunmehr darüber, was der Auftragnehmer als Leistung schuldet und ob er für seine (Mehr-) Leistung eine Vergütung verlangen darf. Dabei stellt die Änderung eines ausgeschriebenen Materials für die ersten beiden Vertragstypen noch ein relativ geringes Problem dar. Der Auftragnehmer eines Einheitspreisvertrages wird genauso wie der eines Detailpauschalpreisvertrages auf seine ausführliche Ausschreibung verweisen und damit den Nachweis erbringen können, dass eine geänderte Leistung erbracht wurde, die einen höhere Vergütungsanspruch begründet. Auch der Anbieter eines Globalpauschalpreisvertrages wird sich hier darauf berufen dürfen, dass er grundsätzlich im Verhältnis zum Gesamtobjekt nur die kostengünstigste Ausführungsvariante schuldet. Vorsicht ist hier jedoch bereits dann geboten, wenn das Objekt in seiner Gesamtschau, soweit der Vertrag einzelne detaillierte Vorgaben macht, bereits eine luxuriöse Ausstattung oder besonders aufwendige Verarbeitung vorsieht. Die Einwendung des Auftragnehmers, dass er hinsichtlich der nur funktional beschriebenen Ausführung lediglich eine „Billigvariante“ schuldet, wird in diesem Fall ins Leere laufen, da bei gesamter Betrachtung des Objekts eben kein „Low-Budget-Bau“ sondern eine gehobene Ausstattung sein Bausoll bestimmt.
Schwieriger gestaltet sich die Beurteilung der Frage des Bausolls und der möglichen Nachtragsvergütung bei Änderungen der Ausführungen, z.B. so wie vorgehend beschrieben. Das Maß der Pauschalierung der Baubeschreibung kann hier die Risikoverteilung vom Auftraggeber, der dem Grunde nach stets das Risiko der Gegebenheiten vor Ort zu tragen hat, in zulässiger Weise auf den Auftragnehmer verlagern. Schon eine Formulierung, welche die Anlieferung der Materialien über einen Feldweg „nach örtlicher Vorgabe und nach Besichtigung durch den Unternehmer“ bestimmt, kann hier den Nachtraganspruch gänzlich ausschließen, weil die Beschreibung hier ausdrücklich darauf verweist, dass der Unternehmer seine Kalkulation aufgrund seiner eigenen örtlichen Recherchen zu erstellen hat.
Noch wesentlich schwieriger als die Beantwortung der Frage, ob ein Nachtrag begründet ist, ist die Frage nach der Vergütung. Der Unternehmer, der hofft, mit seiner Nachtragsvergütung nunmehr aus seinem günstigen Gesamtangebot noch einen satten Gewinn erzielen zu können, irrt und wird im Klageverfahren häufig bei der Höhe seiner Vergütung scheitern. Die Nachtragsvergütung nach VOB/B richtet sich nämlich eben nicht, wie fälschlicherweise häufig angenommen wird, nach der so genannten „ortsüblich angemessenen“ Vergütung. Vielmehr hat der Auftragnehmer die Kalkulation des gesamten Bauvorhabens offen zu legen, um anhand vergleichbarer Einzelpositionen, die er nötigenfalls erst später zu erstellen hat, einen gerechten Maßstab für die nunmehr zu fordernde zusätzliche Vergütung zu finden. Da Unstimmigkeiten dieser Kalkulation immer zu seinen Lasten gehen, wird er genötigt sein, sein vorheriges „Billigangebot“ auch in der Bestimmung seiner Nachträge fortwirken zu lassen und kann beispielsweise auf geänderte Materialwünsche des Bauherrn keine größere Marge veranschlagen, als auf den ursprünglich von ihm eingeplanten Werkstoff. Der Unternehmer eines Vertrages nach Bürgerlichem Recht ohne Einbezug der VOB/B darf sich hier auf § 632 Abs. 2 BGB berufen und für seine zusätzliche Leistung die „übliche Vergütung“ verlangen.
Praxistipp: Die Kalkulation eines jeden Einzelpreises sollte immer mit Sorgfalt und nicht im „Schnellverfahren“ unter vornehmlicher Berücksichtigung der „Hauptpositionen“ vorgenommen werden. Der Auftragnehmer auch eines Einheitspreisvertrages wird im Zweifelsfall erst im Laufe der Arbeiten am Bauwerk zutreffend beurteilen können, ob eine zu günstig kalkulierte kleine Einzelposition nicht in der tatsächlichen Bauausführung in einer erheblich größeren Menge verlangt wird. Die Nachlässigkeit bei der Kalkulation ist hier unbeachtlich, ein Irrtum bei dieser regelmäßig nicht nachzuweisen. Das Nachberechnungsrecht bei Mengenüberschreitungen des § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B wird dem Unternehmer wenig helfen, da auch hier die ursprüngliche Kalkulation zum Maßstab der Nachberechnung wird.
Bei geänderten Leistungen ist die vorherige Ankündigung der Nachtragsvergütung gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B keine Anspruchsvoraussetzung, da die Bestimmungen lediglich eine „soll“ Vorschrift enthält. Im Gegensatz hierzu sieht § 2 Nr. 6 VOB/B als beachtenswerten Unterschied die vorherige Ankündigung des Nachtrags zwingend vor.
Die zusätzliche Leistung nach § 2 Nr. 6 VOB/B
Grundlage eines jeden Werkvertrages, also auch des Bauvertrages, ist die Tatsache, dass der Unternehmer dem Besteller des Werkes einen bestimmten Erfolg schuldet. Kann der Unternehmer den Erfolg nur dadurch herbeiführen, dass er eine den Vertragsgrundlagen auch im Wege der Auslegung des Vertrages nicht zu entnehmende Leistung erbringt, spricht man von einer zusätzlichen Leistung, für die der Auftragnehmer unter der Voraussetzung der vorherigen Ankündigung eine zusätzliche Vergütung verlangen kann.
Beispiel: Die Ausschreibungsunterlagen und die Baubeschreibung sehen einen Aushub der Baugrube vornehmlich mittels schweren Geräts vor. Bei Aushub der Baugrube wird festgestellt, dass sich auf dem Baugelände eine Versorgungsleitung des Ferngasanbieters befindet, die nicht nur einen Aushub mittels eines Kleinbaggers sowie in Handschachtung erfordert, sondern darüber hinaus auch ein Unterfangen der Leitung bis zum Verfüllen der Baugrube bedingt.
Grundsätzlich steht der Nachtragsforderung, mit Ausnahme der Ankündigung derselben, auf den ersten Blick nichts entgegen. Auch der Anbieter im Rahmen eines Globalpauschalpreisvertrages wird sich hier zu Recht darauf berufen dürfen, dass die unter dem Grundstück verlaufende Leitung für ihn auch nach Besichtigung der Baustelle nicht vorhersehbar war, so dass er sich auf eine zusätzlich erbrachte Leistung wird berufen können. Erste Schwierigkeiten ergeben sich jedoch bereits dann, wenn der Ausschreibung Pläne zugrunde gelegt wurden, die den Verlauf der Leitung skizzenhaft andeuten. Hier wird der Auftraggeber durch die quasi Verlagerung der Ausführungsplanung auf den Unternehmer einwenden, dass dem Auftragnehmer die Gegebenheiten vor Ort hätten bekannt sein müssen.
Zu beachten sind in jedem Fall auch etwaige, in Bauverträgen größerer Bauvorhaben stets übliche Rankings der Vorgaben bei etwaigen Widersprüchen in der Ausschreibung. Soweit der Bauvertrag vorsieht, dass bei Widersprüchlichkeiten die Ausführungspläne gegenüber der Ausschreibung stets den Vorrang haben und sehen diese etwaige Leitungsverläufe vor, wird der Unternehmer erhebliche Schwierigkeiten mit seinem Nachtrag erhalten, wenn ihm die Pläne vor Angebotsunterbreitung ordentlich zugänglich gemacht wurden.
Das Erfordernis der Ankündigung eines Nachtrags bei zusätzlichen Leistungen und die Ermangelung dessen bei geänderten Leistungen sollten jeden Auftragnehmer gleichwohl davon abhalten, seine Nachträge im einen Fall anzukündigen und dies im anderen Fall zu unterlassen. Die Grenzen zwischen geänderter und zusätzlicher Leistung sind häufig fließend und der Auftraggeber, der sich einer unangekündigten Nachtragsrechnung ausgesetzt sieht, wird möglicherweise versuchen, über diesen Weg seine Zahlungspflicht auszuschließen.
Wie leicht sich die Grenzen zwischen geänderter und zusätzlicher Leistung verwischen können mag am oberen Beispiel des unbefestigten Zufahrtsweges aufgezeigt sein, wenn der Unternehmer in aus seiner Sicht berechtigter Weise einwendet, dass der Feldweg bereits mit einem 7,5-Tonner nicht befahrbar ist, vom Auftraggeber indessen zur Antwort erhält, dass er den Weg eben mit einer Schotterschicht befestigen muss, wenn er mit dem vorliegenden Fahrbahnuntergrund nicht zurecht kommt. Mit der auf die Einbringung der Schotterschicht korrespondierenden Zusatzrechnung könnte auf den Auftragnehmer eine böse Überraschung warten.
Wer seinen Auftraggeber mit einer Nachtragsankündigung nicht „verärgern“ möchte, sei daran erinnert, dass der Ärger sonst lediglich auf das Datum der Schlussrechnung verlagert wird. Der rechtschaffene Bauherr wird besonderen Gegebenheiten an „seiner“ Baustelle, die seiner Risikosphäre zuzurechnen sind, sicher mit offenem Ohr Rechnung tragen.